Wer seid ihr?
Wir sind die Hausgemeinschaft der Humboldtallee 9, kurz H9. Wir sind auch studierende, mal arbeitende und kindergartenbesuchende Menschen unterschiedlichen Alters und wohnen zusammen auf 4 Etagen. Dabei verwalten wir unsere Wohnsituation selber, kümmern uns um das Haus, unterstützen uns gegenseitig bei unseren alltäglichen Struggles und wollen vorallem gemeinsam dafür sorgen, dass dieses Haus auf lange Sicht dem privaten Wohnungsmarkt entzogen bleibt. Wir setzen uns dafür ein, dass hier in Göttingen zu wohnen weiterhin möglich ist, ohne arm zu werden oder reich sein zu müssen.
Wie ist euer Projekt entstanden?
Die Geschichte unseres Hauses läst sich nicht so einfach rekonstruiieren. Die H9 war wahrscheinlich (um 1910) als Apotheke des alten Uniklinikums erbaut worden. Das Dachgeschoss ist vermutlich schon seit den 1960ern bewohnt. Die H9 selbst wurde zwar während der Göttinger Besetzungswelle in den 80ern nicht besetzt, war aber Teil des Friedensangebotes nach den Protesten um die Besetzung der alten Augenklinik. Viele Göttinger Altbauten wurden damals dem Studentenwerk zur Verwaltung übergeben, um dort günstige Wohnungen zu schaffen, da es auch damals schon zu wenig Wohnraum in der Stadt gab. Die Besetzer:innen erkämpfen, dass das Haus am 15.02.1980 dem Studierendenwerk zur Verwaltung überlassen wurde. Es blieb dabei allerdings im Besitz der Universität.
Seit wann gibt es euch als selbstverwaltete Struktur und wem gehört euer Haus?
Das Haus hatte seit seiner Existenz als Wohnraum in den 80ern starke Tendenzen zur Sebstverwaltung, diese existierten aber hauptsächlich auf informeller Ebene, die das Zusammenleben der Bewohner:innen regelten. Gegenüber dem Studiwerk gab es aber noch Einzelmietverträge. Eine echte Selbstveraltung begann sich 2014 herauszubilden, nachdem die Drohung des Studentenwerkes alle kleine Wohnheime zu entmieten und zu verkaufen eine stärke Organisation notwendig machte. Die Gründung der Wohnrauminitiative machte die vorher eher losen Selbstverwaltungsstrtukturen konkreter und führte zwischen den Bewohner:innen, aber auch den einzelnen WGs zu einem größeren Bewusstsein für die Gemeinschaftlichkeit des Hauses. Als das Studentwerk dann 2017 alle Einzmietverträge auslaufen lies um Mieterhöhungen durchzudrücken, führte dieses Bewusstsein dazu, das sich die Bewohner:innen entschieden das Haus auch formal als Gemeischaft zu verwalten und keine Einzelverträge mehr zu akzeptieren. Das Haus gehört zwar noch der Georg-August Universität Göttingen, wird aber vom Göttinger Studentenwerk verwaltet. Somit wohnen wir hier also noch zur Miete. Auf lange Sicht wollen wir das aber ändern, das Haus kaufen, wie es schon andere Selbstverwaltete Wohnheime in Göttingen getan haben und so sicherstellen, dass das Haus günstig bewohnbar und selbstverwaltet bleibt.
Wie sind Leben, Alltag und politische Konsens bei euch organisiert?
Wir verwalten unsere Wohnsituation selbst. Wir entscheiden selber über Einzüge und was an Haus und Garten verändert wird. Diese Entscheidungen treffen wir gemeinsam. Wir haben regelmäßige Treffen als Hausgeinschaft, in denen wir den Hausalltag organisieren und auch planen, wie wir unser langfristiges Ziel des Hauskaufs umsetzen können. Darüber hinaus verstehen wir uns als politisches Projekt. Die Frage nach bezahlbarem Wohnraum ist nicht losgelöst von den großen Problemen dieser Gesellschaft. Deshalb ist für uns klar, dass wir auch gegen Kapitalismus, Patriachat und Rassismus kämpfen müssen, wenn wir eine Stadt wollen, in der alle Menschen gut wohnen können.
Wie seid ihr zum Dachverband gekommen?
Ab Herbst 2014 spitzte sich der Konflikt mit dem Studentenwerk anknüpfend an die Hoheit über die Vergabe von Wohnplätzen erneut zu und gipfelte 2016 im Konflikt um drohende Mieterhöhungen. In diesem Zuge vernetzten sich die studentischen selbstverwalteten Wohnprojekte in Göttingen um gemeinsam Strukturen rund um wohnraumpolitische Themen voranzutreiben mit der „Here-to-Stay“ Kampagne und in der Wohnrauminitiative. Nachdem sich viele Häuser durch diese Vernetzung selbst gekauft haben, stellte sich neben der Frage nach Selbsverwaltung und wie man diese schützen kann, auch die Frage auf, wie man eine Reprivatisierung verhindern kann. Um diese beiden Themen zu verbinden haben wir uns von Anfang an im Dachverband organisiert.
Wie seid ihr als Haus rechtlich organisiert?
Die rechtliche Struktur unserer Selbstverwaltung ist der Verein: “Solidarisch Leben Göttingen e.V.”. Dieser Verein sorgt auf Lange Sicht dafür dass das Haus nicht in den Privatbesitz zurückfällt. Bis das Haus aber dem Verein gehören kann, organisiert der Verein Veranstaltungen im und um das Haus, bei denen die Nachbar:innenschaft uns und unsere Anliegen kennenlernen kann.